„Ab ins Moor!“ Gewachsene Energie, aber schaurig war`s ….
Das Moor war lange gleichgesetzt mit der Vorstellung von ödem Land, das von keinerlei Nutzen zu sein schien. Deshalb wurden die Moore von Menschen gemieden. Sie galten als siedlungs- und lebensfeindliche Plätze und bildeten ein Hindernis für den Verkehr, da sie nur an wenigen Stellen gefahrlos überwunden werden konnten. Folglich blieben diese Gebiete lange Zeit von Menschen weitgehend unberührt.
Foto: Archiv Bernd Robben
Dabei fanden sich dort gewaltige Energievorräte in Form von Torf – der Wald stand ja weitgehend nicht mehr zur Verfügung.
Das größte zusammenliegende Moorgebiet im deutschen Nordwesten war das Bourtanger Moor beiderseits der niederländisch-deutschen Grenze, das sich in einer Nord-Süd-Länge bis über 50 Kilometern erstreckte. Als nach dem Dreißigjährigen Kriege die Bevölkerung zunehmend wuchs und sich diese Entwicklung durch den beginnenden Kartoffelanbau im 18. Jahrhundert noch verstärkte, entwickelte sich insbesondere in der ländlichen Bevölkerung ein enormer Druck.
Während die Zahl der Bauern – vor allem der großen Höfe – konstant blieb, vermehrte sich die besitzlose Landbevölkerung – in Nordwestdeutschland waren das die Heuerleute – um mehr als das Dreifache. Der zur Ernährung von Menschen und Nutztieren benötigte Grund und Boden war aber nicht entsprechend vermehrbar. Das musste zwangsläufig zu Problemen führen. Das Wohnangebot für die Landlosen wurde durch diese Entwicklung zunehmend knapp, etliche besitzende Bauern gingen dazu über, ihre ohnehin beengten Heuerhäuser doppelt zu belegen. Das führte nicht selten zu zwischenmenschlichen Spannungen.
So wagten es 1764 vier Heuerlingsfamilien aus Dalum, zunächst noch ohne Genehmigung im Moor zu siedeln. Sie gründeten so den späteren Ort Schwartenpohl in der heutigen Grafschaft Bentheim – aber unter welchen unsäglichen Schwierigkeiten.
Cover von: Karl Greshake: Schwartenpohl. Geschichte eine Moorbrandsiedlung, Lingen 1963.
Dennoch fanden sie viele Nachahmer, nachdem die Siedlung im Moor in einem gewissen Rahmen legalisiert wurde. Es ist heute kaum noch nachvollziehbar, welch ein Schicksal die ehemals besitzlosen Moorsiedler auf sich nahmen, um endlich frei von der Willkür der Bauern zu sein und selbst Land zu besitzen.
Die erste Zeit verbrachten die Kolonisten unter freiem Himmel, bis sie überhaupt einen festen Grund für eine Schutzhütte gefunden hatten. Dann schlugen sie Birkenstämme, stellten sie schräg gegeneinander, bedeckten sie mit Zweigen, Plaggen und Torf und schafften sich so eine Notunterkunft für die Anfangszeit ihrer Kolonistenexistenz.
In diesen feuchten Behausungen aus Torf und Soden waren die Siedler den Unbilden der Natur weitgehend ausgeliefert: Dort wuchs nur der Buchweizen, ein geringes und einseitiges Nahrungsangebot. Selbst das Wasser war schlecht und stinkend.
Die deutsche Minimallösung: Moorbrandkultur mit überregionaler Luftverschmutzung
Krasser Gegensatz in der Verwertung der natürlichen Energie im Moor
Bei der deutschen Hochmoor-Kultur entwässerten die ersten Siedler mit kleinen Ablaufrinnen lediglich die Oberfläche des Moores. Diese wurde aufgehackt, so dass eine dünne Bodenschicht über den Winter austrocknen konnte. Dann steckte man im Frühjahr diese lockere und angetrocknete Torfschicht in Brand. In die noch heiße Asche wurde Buchweizen ausgesät, der wenig Ansprüche an den Boden stellt – bei den Siedlern eine überlebenswichtige Kulturpflanze. Riesige Feuerbrände wüteten alljährlich in den nordwestendeutschen Mooregionen. Der beißende Rauch zog bis nach Lyon, Wien und Krakau.
Moorrauch bis nach Wien und Lyon
Das größte Problem für diese Moorkolonisten war, dass nach wenigen Jahren „ihr“ Land zunehmend unfruchtbar wurde und sie weiterziehen mussten. Das führte zwangsläufig zu Verteilungsproblemen.
Eigentlich mussten die Neusiedler im Moor, um überhaupt an fruchtbares Ackerland zu gelangen, die darüber liegende Moorschicht, die häufig mehrere Meter betrug, komplett abtorfen. Das war aber für einen einzelnen Familienverband nicht zu bewältigen. Den gestochenen und getrockneten Torf benötigten sie einerseits selbst für das eigene Kochen und Heizen. Andererseits konnte der anfallende Überschuss lange Zeit kaum verkauft werden, weil Transportmöglichkeiten wegen der fehlenden Wege auf den weichen Moorböden nicht angelegt werden konnten. Pferde waren schlecht einsetzbar. Sie brachen tief ein und konnten sich mit eigener Kraft nicht mehr befreien.
Die niederländische Optimallösung – zumindest für die damalige Zeit: Aus dem Bourtanger Moor wurde fruchtbares Ackerland!
Bei der in den Niederlanden entwickelten Fehnkolonisierung wurden Kanalnetze in das zu kultivierende Moor vorgetrieben. Sie dienten zunächst einmal der Entwässerung, konnte aber zugleich auch als wichtige Verkehrswege genutzt wurden. Auf ihnen wurde der Brenntorf in der flachen und windreichen Gegend mit kleinen Segelkähnen in die größeren Städte an der Küste transportieren. Dort wurde er als Hausbrand und zum Kochen genutzt. Der Großteil dieses im Lande gewachsenen Energieträgers wurde jedoch zum Brennen von Ziegeln für den weiteren Ausbau des Landes verbraucht. Auf der Rückfahrt der Schiffe in die Moorregionen löste man zwei Probleme: Die Ballungszentren wurden ihre Fäkalien unproblematisch los und die Siedler im Moor erhielten notwendigen Dünger auf ihren abgetorften neuen Ackerflächen: eine historische Win-Win-Situation im Energietransfer.
Im Kraftwerk Rühler Moor – aus Schwarztorf wird Strom
Interviewtext Hermann Bröring
1924 hatte die Provinz Hannover vor, das Emsland zu den damaligen Rahmenbedingungen mit Strom zu versorgen. Deshalb sollte und wurde auch ein Torfkraftwerk in Rühle gebaut. Wenn wir uns die Kapazität – 6500 Kilowatt – und dann einfach mal die heutigen Großkraftwerke mit über 600-800 Megawatt vorstellen und wenn wir dann noch bedenken, dass RWE 1950 das Torfkraftwerk im Rühle aufgerüstet hat auf 20.000 Kilowatt, dann wissen wir, in welcher in Ineffektivität die Region unterwegs war.
Beschaffenheit des Moores
Die oberste Schicht des Moores besteht aus Weißtorf. Dadurch ist der Verdichtungsgrad noch gering. Der Schwarztorf dagegen bildet die tiefere und ältere Schicht. Er ist kompakter und war in früheren Zeiten anstelle von Holz ein wichtiges Brennmaterial, bis eben Kohle, dann auch zunehmend Erdöl und Erdgas, sich durchsetzen konnten. Durch diese Entwicklung ließ sich ab einer gewissen Zeit der zunehmend maschinell geerntete Schwarztorf als Brennstoff nicht mehr in größerem Maße absetzen.
Auf der anderen Seite entwickelte sich ein stark wachsender lukrativer Markt für den Weißtorf, vor allem als Substrat. Daher gab es nur noch Abtorfungsgenehmigungen für Weißtorf, wenn auch die Verwertung der Schwarztorfes geregelt war. Denn nur so konnte das wichtigste Ziel erreicht werden: eine landwirtschaftliche Folgenutzung des Bodens unterhalb der Torfschicht.
So konnte in diesem Kraftwerk der bis zu zwanzig Meter tief reichende Schwarztorf in Strom umgewandelt werden. Zugleich entstand der begehrte fruchtbare Ackerboden für Siedlungswillige. Im März 1974 wurde das Kraftwerk auf Grund des schlechten Wirkungsgrades aufgegeben. Heute erinnert nur noch die Straße „Am Kraftwerk“ in Rühle an den früheren Standort.
Das Wirken der Nationalsozialisten im Emslandmoor – bis zu
30. 000 Gefangene kamen dabei um!
Karte: Archiv Gedenkstätte Esterwegen
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Foto: Archiv DIZ Papenburg
Bis zum Kriegsende waren etwa 80.000 KZ-Häftlinge und Strafgefangene sowie bis zu 180.000 vor allem russische Kriegsgefangene in den Lagern inhaftiert und zu härtester Zwangsarbeit gezwungen. Etwa 30.000 Menschen starben hier.
Die dabei offiziell angestrebte Moorkultivierung (Neuland- und Energiegewinnung) konnte unter diesen unmenschlichen Bedingungen nicht gelingen.