Ein Bericht von Thomas Pertz in der Lingener Tagespost vom 14.02.2025
Über 650.000 Tonnen Stahl wird bei Benteler in Lingen produziert. Der Einsatz eines Elektrolichtbogenofens bei der Stahlproduktion setzt deutlich weniger Kohlendioxid frei als bei der Verwendung von herkömmlichen Hochöfen.Foto: Lars Schröer
US-Präsident Donald Trump hat Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte in die Vereinigten Staaten auf den Weg gebracht. Im Stahlwerk Benteler in Lingen herrscht, was diese Ankündigung anbelangt, Gelassenheit. Sorge bereitet dem Unternehmen etwas anderes.

Foto Archiv Bernd Robben
Ein Dekret nach dem anderen unterzeichnet US-Präsident Donald Trump. Nun trägt auch eine Anordnung seine Unterschrift, die Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte in die Vereinigten Staaten auf den Weg bringen soll. Hätte dies auch Folgen für den Stahlstandort Lingen?
Stahlwerk Benteler in Lingen schaut auf die Situation
260 Mitarbeiter, 650.000 Tonnen Jahreskapazität, hochwertiger Stahl aus 100 Prozent Schrott und umweltfreundliche Produktion: Das sind die Rahmendaten des Stahlwerkes Benteler in Lingen. Die Unternehmensgruppe aus Österreich mit Sitz in Salzburg hatte im Jahr 1974 im Industriepark mit der Stahlproduktion begonnen.
Klarer Fokus auf Deutschland und Mitteleuropa
„Von Lingen aus beliefern wir hauptsächlich unsere eigenen Rohrwerke in Deutschland sowie zum Teil auch externe Kunden – mit klarem Fokus auf Deutschland und Mitteleuropa“, sagte ein Unternehmenssprecher der Benteler-Gruppe auf Anfrage der Redaktion. „Nach aktuellem Kenntnisstand hätten die angekündigten US-Importzölle auf Stahl daher nur einen minimalen Einfluss auf unser Geschäft“, so der Sprecher weiter.
Ganz generell sei die Benteler-Gruppe aber davon überzeugt, dass sich die Herausforderungen in der Industrie nicht mit nationalem Protektionismus lösen lassen. „Wir brauchen mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit, nicht weniger“, forderte der Sprecher.
Energiekosten beeinflussen Produktionsabläufe
Unmittelbar betroffen in der Gestaltung seiner Produktionsabläufe ist das Stahlwerk Benteler auf einem anderen Gebiet, den Energiekosten. Herkömmliche Hochöfen werden ausschließlich mit Öl, Gas oder Kohle betrieben. Benteler setzte in Lingen hingegen von Anfang an auf Strom als primären Energieträger. Im Stahlwerk ist ein Elektrolichtbogenofen im Einsatz. Laut Benteler entstehen dadurch 90 Prozent weniger direkte CO2-Emissionen als bei der Verwendung eines herkömmlichen Hochofens.
Der Stromverbrauch ist gewaltig
Der Stromverbrauch des Stahlwerks ist allerdings gewaltig. Werkleiter Andreas Stadtherr machte das bei einer Betriebsbesichtigung mit einem Vergleich deutlich. „Ein Einfamilienhaus benötigt im Schnitt 5000 Kilowattstunden Strom im Jahr, wir im Lichtbogenofen 1000 je Minute.“ Die Entwicklung des Strompreises in Deutschland beobachtet das Unternehmen deshalb sehr genau – täglich. „Das bedeutet auch: Sollten die Strompreise eine wirtschaftliche Stahlproduktion an unserem Standort unmöglich machen, passen wir die Produktion entsprechend an“, erläuterte der Sprecher.
Strompreis zu hoch: Elektrolichtbogenofen kurzzeitig ausgeschaltet
Anpassen heißt hier Herunterfahren: „Die Strompreise haben im Januar 2025 eine kurzzeitige Spitze erreicht, woraufhin wir unseren Elektrolichtbogenofen für einige Stunden gezielt vom Netz genommen haben“, beschrieb der Unternehmenssprecher die Folgen. Es habe sich um die Kalenderwochen drei und vier gehandelt, präzisierte er auf Nachfrage. Gemeint ist also der Zeitraum zwischen dem 13. und 24. Januar.
Reaktion auch im Stahlwerk in Georgsmarienhütte
Benteler war nicht das einzige Stahlwerk in der Region, dass so reagierte. Am Montag, 20. Januar, wurde der Elektrolichtbogenofen im Stahlwerk in Georgsmarienhütte abgeschaltet. Die GMH Gruppe hatte sich zu diesem Schritt entschieden, weil der Preis an der Strombörse in Deutschland zu diesem Zeitpunkt nach Angaben der Unternehmensleitung keine kostendeckende Produktion mehr zugelassen habe.
„Eine verfehlte Energiepolitik zerstört die Wettbewerbsfähigkeit“
„Eine verfehlte Energiepolitik, die unsere Wettbewerbsfähigkeit zerstört, während unsere Konkurrenten im Ausland einfach weitermachen können“, schrieb Anne-Marie Großmann, Geschäftsführerin der GMH Gruppe, zu der das Stahlwerk gehört, dazu in einem Post auf der Karriereplattform LinkedIn.
Im Jahr 2019 habe der Spot-Strompreis in Deutschland – also jener, den Unternehmen und Einkäufer an der Börse zahlen – nie über 130 Euro je Megawattstunde Strom gelegen, so Großmann. Am 20. Januar habe er jedoch – „mal wieder“ – über 400 Euro je Megawattstunde gelegen. „Ein Preisniveau, das viele Unternehmen zum Produktionsstopp zwingt – und das an einem Montagmorgen. Wo man normalerweise produzieren muss.“