Im 18. Jahrhundert wurde durch das Bevölkerungswachstum das Land immer knapper. Aus lauter Not gingen daher gekündigte Heuerleute, die keine neue Heuerstelle fanden, ins Moor und siedelten „wild“, also ohne amtliche Genehmigung. Doch sobald die Bauern der nächstgelegenen Dörfer davon erfahren, zerstörten sie die Hütten der Siedler. Sie fürchteten um ihre Weide- und Torfstechrechte und eine Überbeanspruchung des Bodens durch den Moorbrandkultur zum Buchweizenanbau, da der Boden viele Jahre zur Regeneration benötigte. Sie wollten weder ihre Markenrechte noch ihre besten Heuerleute verlieren, wenn eine „wilde“ Siedlung im Moor erfolgreich sein würde. Unterstützung fanden sie in Gerichtsurteilen.
Doch die Zeit arbeitete für die wachsende siedlungswillige Bevölkerung. Nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs erließ die fürstbischöfliche Regierung in Münster 1763 ein Edikt, das den Startschuss für die Gründung von Kolonien im Bourtanger Moor gab. So entstand schon 1764 Schwartenpohl. Die Regierung wollte einerseits den Siedlungshunger der steigenden Bevölkerung stillen und in den Siedlern neue Steuerzahler gewinnen, andererseits aber auch die Grenze insbesondere im Bourtanger Moor zu den Niederlanden, die aufgrund des unwegsamen Geländes noch nicht genau festgelegt worden war, durch eine Besiedlung sichern und festigen. Zwischen 1764 und 1788 wurden 14 Kolonien gegründet: Schwartenpohl, Adorf, Hebelermeer, Hesepertwist, Lindloh, Neulehe, Neu-Dersum, Neu-Dörpen, Neurhede, Neusustrum, Neuversen, Rühlertwist, Rütenbrock und Schwartenberg. Auch auf dem Hümmling entstanden Moorsiedlungen wie Breddenberg oder Gehlenberg.
Die Neusiedler waren zwar freie Bauern und nicht mehr Heuerleute oder Knechte. Aber die Urbarmachung des Moores war eine Knochenarbeit in primitivsten Wohnverhältnissen und unter stetigem Nahrungs- und Geldmangel. Dies führte bezogen auf die Siedler zum Sprichwort: Dem ersten der Tod, dem zweiten die Not, dem dritten das Brot.
Erst die dritte Generation war danach ein halbwegs auskömmliches Leben vergönnt. Doch der Kinderreichtum vieler Siedler führte schnell zu einer Zersplitterung der als Plaatzen bezeichneten Siedlerstellen. Daher war für die Nachfahren der ersten Moorsiedler vielfach eine andere Beschäftigung neben der Landwirtschaft und dem Torfstechen zur Fristung des kargen Lebensunterhalts häufig unumgänglich: Der Schmuggel über die Grenze zu den Niederlanden. Der knapp bemessene und karge Boden gab auf die Dauer einfach nicht genügend her, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Und mit den damaligen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten war eine grundlegende flächige Kultivierung des Moores auf deutscher Grenzseite nicht möglich.
Ende des 18. Jahrhunderts bereiste der protestantische Geistliche Johann Gottfried Hoche (1762-1836) Nordwestdeutschland. Er schrieb darüber 1800 das Buch „Reise durch Osnabrück und Niedermünster in das Saterland, Ostfriesland und Gröningen”. Über die Lebensverhältnisse der Siedler in Moor und Heide berichtete er:
„Vor uns lag eine Anzahl elender Hütten, in welchen das halb vermoderte Strohdach die armen Bewohner gegen Sturm und Regen nicht schützt. Was das Herz erfreuet, und Lust zum Leben erzeugt, ist fern von diesen Grenzen. Dürftigkeit deckt die Mittagstafel, und Armuth den Abendtisch. Schwefelichtes Wasser, aus irdenem Gefäße getrunken, spühlt den Staubsand hinunter, den die Brust am Tage einathmete. Wenig denkend und wenig empfindend wandert der arme Sterbliche über die Steppen dahin; sein Blick spricht Gleichgültigkeit. Nur dann näßt sich sein Auge, wenn dort der Wind einen Sandhügel aufnimmt, und ihn über seinen halbverdorrten Buchwaizen wirft. Er begräbt seine letzte Hoffnung. Wie hat die Natur so ungleich ihre Gaben ausgetheilt! Gütig ist sie dennoch, denn wo sie nicht gab, da nahm sie auch das Verlangen darnach mit sich zu ihren begünstigtern Kindern!
Ich war in eine solche Hütte gegangen, um einige Erfrischungen zu suchen. Vergebens. Zwei weinende Kinder lagen auf dem gestampften Lehmboden und hielten die harte Rinde des schwarzen Brods in der Hand, um sie gegen den hungrigen Haushund zu schützen. Die Mutter trat endlich hervor, um mir zu versagen, was ich so sehnlichst wünschte, Milch oder Bier.“
Zitiert nach: Emsland literarisch. Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von Henning Buck, Sögel 1997, S. 68-69.