Kindheits- und Jugenderinnerung der Nachkriegsjahre von Maria Rothlübbers
Kurzvita
Maria Rothlübbers, geborene Wahoff, geboren am 07.06.1949 in Eisten, Kreis Aschendort-Hümmling als erstes von sieben Kindern.
Vater: Heinrich Wahoff, geboren in Lengerich, Kreis Lingen, geboren 1908
Mutter: Agnes Wahoff, geborene Jansen, geboren 1922 in Felsen/ Herzlake, Kreis Meppen
Meine Großeltern und Vater kauften 1929 eine Siedlung von 12,5 ha in Eisten, davon waren 5 ha Ödland und Moor, welches abgebrannt wurde. Der Preis betrug damals 5525 Reichsmark. Der Umzug meiner Großeltern mit sechs Kindern von Lengerich nach Eisten erfolgte 1930.
1977 ging mein Vater in Rente und die Acker- und Wiesenflächen wurden an einen Nachbarn verpachtet. 1982 verkaufte mein Bruder die Wohn- und Stallgebäude. Mit seiner Frau und unserer Mutter zog er nach Sögel. Die Acker und Wiesenflächen sind heute noch verpachtet.
1947 heiraten meine Eltern und meine Mutter und Oma gaben den Pachthof in Felsen auf und zogen nach Eisten. Ab 1947 lebten meine Eltern, Oma und zwei Tanten auf dem Hof. Meine Tanten heirateten später und ein Knecht wurde eingestellt der bis 1954 bei uns war. Ein Kramer Trecker (12 PS) kam und ein Pferd blieb auf dem Hof.
Haus und Wohnung
Zu der Zeit gab es eine große Küche, eine Stube, ein Klo auf der Diele, eine Waschküche, fünf Schlafräume und zwei Kellerräume, welche im Winter voll Wasser waren und ausgepumpt wurden. Das Haus war sehr feucht. 1947 gab es Material um die Siedlungen an das Stromnetz anzuschließen. Die Arbeiten mussten selber organisiert werden. Ein eigener Hauswasserbrunnen versorgte uns mit „Moorwasser“:
Heimatgemeinde
Eisten war eine kleine, selbstständige Gemeinde mit 40-50 Haushalten. Alle Ämter waren in der größeren Nachbargemeinde Sögel, sowie Ärzte, Zahnärzte, Krankenhaus, Apotheken und Geschäfte. In der Gemeinde gab es eine Kapelle, einen Dorfladen, eine Schulde, eine Kneipe mit Poststelle und Telefon, eine Viehwaage und einen Schützenverein.
Die Eltern und die eigene Ausbildung
Mein Vater hatte einen Volksschulabschluss, meine Mutter einen Realschulabschluss. In Eisten war die Schule einklassig. Etwa 40 Kinder wurden in einem Klassenraum, von einem Lehrer, für mich 7 ½ Jahre, unterrichtet. In Sögel gab es eine Realschule. Es fuhren keine Busse. Zum neunten Schuljahr fuhr ich mit dem Fahrrad die 5 km nach Sögel in die Schule. Dort gab es eine Jungen- und eine Mädchenklasse. Dieses Schuljahr war für mich sehr wichtig. Danach besuchte ich einen 6-monatigen Bildungskurs in Rulle, Jugendhaus Maria Frieden. Im Anschluss half ich meinen Eltern einige Monate auf dem Hof, um dann die ländliche Hauswirtschaftslehre in Rulle und Bohmte zu beenden. Mein Berufswunsch war Hauswirtschafterin. Für zwei Jahre war ich in der Landfrauenschule Gut Hange in Freren, um nach einem Jahr den Wirtschafterinnen und nach dem zweiten Jahr den Dorfhelferinnenabschluss zu erlangen.
Berufliche Anstellung und Heirat
Im April 1970 stellte mich das Ludwig- Windthorst-Haus in Holthausen als Dorfhelferin für Biene und Holthausen ein. Ich hatte überwiegend in landwirtschaftlichen Betrieben, auch im Altkreis Lingen, gearbeitet. 1972 heiratete ich Günther Rothlübbers und zog auf den landwirtschaftlichen Betrieb in Biene.
Geschwister und Erziehung
Meine Geschwister sind zwischen 1950 und 1962 geboren. Die Mithilfe im Haushalt und auf dem Hof war, dem Alter entsprechend, wichtig und notwendig. Wir wurden sehr selbständig erzogen. Unseren Eltern war es sehr wichtig, dass wir alle einen Beruf erlernten. Dafür haben meine Schwester und ich sehr früh das Elternhaus verlassen.
Die Selbstversorgung
Die Selbstversorgung war sehr hoch. Es wurde nur die Grundnahrungsmittel zugekauft. Der Verkauf der Eier von etwa 40 Hühnern wurde dafür gebraucht. Die Milch von sechs bis sieben Kühen wurde an die Molkereien verkauft. 1961 gab es eine Melkmaschine. Die Ferkel von den Sauen wurden gemästet und verkauft. Die Kälber blieben ebenfalls auf dem Betrieb, dienten der Nachzucht und wurden verkauft.
Butter, Buttermilch und Käse lieferte die Molkerei. Die Hühner wurden selber geschlachtet und in der Küche verwertet. Die großen Schlachttage waren im Herbst und im späten Winter. Im Herbst wurde eine Kuh und eine Jungsau und im Winter eine weitere Jungsau geschlachtet. Es waren Hausschlachtungen. Ein Nachbar schlachtete die Tiere. Eine Bekannte, wir nannten sie „Tante Hedwig“, sie kam aus Schlesien und hatte das Verarbeiten der Tiere im Betrieb ihres Mannes gelernt, halt uns dabei.
Es wurden Wurst, Bauernwurst, Teewurst, Mettwurst, Leberwurst, Rotwurst, Wurstebrot und Stöpsel (Grützwurst) hergestellt. Diese wurden in der eigenen Räucherkammer mit dem Schinken geräuchert und getrocknet. Ein Teil wurde in Gläser eingekocht und gepökelt. Im Herbst bei der ersten Schlachtung bekam der erste Nachbar und Onkel und Tanten eine Einladung zu, „Schnurrebraten -Essen“ (Fielet). Ein Paket frisches Fleisch brachen wir Kinder zu den Patres nach Clemenswert.
Ein großer Gemüse- und Obstgarten versorgte uns das ganze Jahr. Im Garten wuchsen alle Kohlsorten, Möhren, Schwarzwurzeln, Porree, Sellerie, Zwiebeln, Frühkartoffeln, Bohnen, Erbsen, rote Beete, Gurken, Kürbis, Erdbeeren und Salat. Es wurde mit den Nachbarn getauscht. Als Beerensträucher gab es Himbeeren, Stachelbeeren und Johannisbeeren in verschiedenen Sorten. Es gab ebenfalls genügend Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume. In der Rabatte wuchsen Pfefferminze, Kamille und Gewürze, wie Petersilie und Schittlauch. Wir tranken viel Milch, Buttermilch, Pfefferminztee und „Linde‘s Kaffeeersatz“. 1 Pfund Bohnenkaffee ließ meine Mutter sich monatlich schicken. Da wir nur „Moorwasser“ hatten, schmeckte kein schwarzer Tee. Auch heute trinken wir jeden Tag Pfefferminztee. Die Staude habe ich aus meinem Elternhaus mitgenommen.
Der Essensplan:
- Morgens: Brot mit Marmelade oder Rübensirup, im Sommer zur Schule auch Obst.
- Mittags: Suppe und Hauptgericht oder Hauptgericht und Nachtisch
- Suppen: Klare Hühner- oder Rindfleischsuppe mit Gemüse, Klößen und Eierstich, gebundene Suppen nach Verfügbarkeit
- Hauptgerichte: Erbsen, Bohnen, Graupensuppe und alle Gemüseeintöpfe, Pfannekuchen. Es gab jeden Tag Kartoffeln. Kartoffeln mit Soßengerichte. Gulasch und Braten waren Sonntagsgerichte. Das Fleisch und die Knochen vom Rind und Schwein kochte meine Mutter vor. Das Fleisch wurde dann durch den Fleischwolf gedreht und mit kalten, gekochten Kartoffeln, Eiern und Gewürzen vermengt, zu Bällchen geformt und gebraten. So war eine Bessere Verteilung des Fleisches bei uns Kindern möglich.
- Nachtisch: Quark, aus eigener Buttermilch hergestellt, Stippmilch, Pudding, Milchsuppen, Aufläufe.
- Nachmittags: Brot mit Marmelade
- Abends: Bratkartoffeln, Pfannekuchen, Nudeln, im Winter Wurstebrot, Stöpsel, Brot mit Wurst und jeden Abend Buttermilchsuppe. Das war gekochte Buttermilch mit Mehl angerührt und Schwarzbrotstückchen.
Brot backte meine Mutter selbst. Samstag gab es Rosinenbrot und sonntags Kuchen. Das Backen und Kochen habe ich sehr früh gelernt.
Mobilität
Mein Vater hatte schon immer ein Motorrad. Meine Mutter und meine Tanten ein Fahrrad. Für uns Kinder gab es nach der ersten heiligen Kommunion das erste Rad. An öffentlichen Verkehrsmitteln gab es die Hümlinger Kreisbahn. Die Haltestelle war etwa drei Kilometer entfernt. 1950 kaufte mein Vater einen gebrauchten VW. Alle sieben Kinder plus die Eltern passten in das Auto.
Hygiene und Wäsche
Samstags war Badetag in einer großen Zinkwanne. Dass Wasser wurde im Waschkessel erhitzt. Montags war Waschtag. Im Waschkessel wurde die weiße Kochwäsche eingeweicht und im Anschluss erhitzt. Danach die 60 Grad Buntwäsche und die Stallwäsche. Eine Schunkelwaschmaschine und Schleuder erleichterten die Arbeit. 1969 gab es die erste vollautomatische Waschmaschine.
Umbau des Hauses
1962 erfolgte ein größerer Umbau des Wohnhauses. Es wurde eine Holz-Koksheizung eingebaut. Ein Badezimmer mit Wanne, Dusche und mit einer Toilette mit Wasserspülung eingebaut. Später gab es eine Gefriertruhe und elektrische Küchengeräte wie Küchenmotor uns so weiter. Bei der Planung uns Änderungen im Wohn- und Küchenbereich hatten die Landfrauen eine gute Beratung durch die Landwirtschaftslehrerin. Diese Beratung vor Ort war kostenlos. Daran kann ich mich sehr gut errinnern.
Stellung der Kirche
Wir wurden streng katholisch erzogen. Die gemeinsamen Gebete und Rituale der Kirsche waren für uns sehr wichtig. Wir gehörten zur Pfarrei Sögel, wurden aber von den Patres aus Clemenswert kirchlich versorgt. Kulturelle Möglichkeiten gab es kaum. Höhepunkte waren die kirchlichen Feiertage. Im Dorf gab es ein Schützenfest und in Sögel die Kirmes am Fest Maria Himmelfahrt. Wir hatten ein Radio, die Tageszeitung, die christliche Familie und den Kirchenboten. Ab der Mitte der 50er Jahre gab es ein Bücher-Abo. Meine Mutter bestellte viele Kinderbücher, später Jungendbücher und Romane. Sonntags nach dem Hochamt bin ich oft nach Sögel zur Bücherei gefahren und habe Bücher ausgeliehen.
Spielzeug
Mein Vater hatte für uns Kinder einen Sandkasten, ein Spielhaus, eine Schaukeln und ein Karussell gebaut ( ein großes altes Ackerwagenrad im Boden eingelassen).
Kleidung
Wir Mädchen freuten uns über die abgelegten Kleider unserer Cousinen. Sonst wurde die Kleidung der größeren Geschwister nachgetragen. Ab Mitte der 50er Jahre hatten wir eine Strickmaschine. Meine Tante strickte den ganzen Winter Pullover, Jacken und für uns Mädchen Kleider. Sie heiratete 1960, da konnte ich bereits mit der Strickmaschine umgehen. Auch da Nähen mit der Nähmaschine lernte ich von meiner Mutter. An das Tragen von Holzschuhen kann ich mich kaum erinnern.
Urlaub
Urlaub war ein Fremdwort für uns. Es gab nur Ferien bei den Verwandten (Tante und Onkel). Unsere Eltern waren auf die Mithilfe der Kinder in den Sommerferien, bei der Getreideernte und in den Herbstferien, bei Kartoffel- und Rübenernte, angewiesen. So waren es oft nur ein paar Tage, die wir frei hatten.