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Kanäle förderten die wirtschaftliche Entwicklung
Helmut Lensing
Das linksemsische Kanalsystem
In den Gebieten links der Ems, die vom fast unwegsamen Bourtanger Moor geprägt waren, lebten die wenigen Bewohner Mitte des 19. Jahrhunderts meist in Armut und in schwierigen Lebensverhältnissen. Das unwegsame Moor und die kaum vorhandene Verkehrserschließung erschwerten jedes wirtschaftliche Fortkommen. So forderten etwa der Lingener Bürgermeister Werner von Beesten oder der preußische Verwaltungsbeamter Eduard (von) Marcard, die Region mit Hilfe von Kanälen zu entwässern und verkehrsmäßig zu erschließen. Vorbild für ein neues Wasserwegenetz waren die Niederlande, die an diesem neuen System angeschlossen werden sollten. Doch erst als im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 Abertausende von kriegsgefangenen Franzosen beschäftigt werden mussten, entschied sich der preußische Staat, dieses Projekt in Angriff zu nehmen. Es entstanden von 1870/71 bis 1907 folgende untereinander verbundene Kanäle.
- Der Ems-Vechte-Kanal von rund 22 Kilometern verbindet die Vechte in Nordhorn mit der Ems in Lingen-Hanekefähr.
- Der Nordhorn-Almelo-Kanal von 33 Kilometern Länge, davon gut vier Kilometer auf deutscher Seite, verbindet Nordhorn mit dem niederländischen Kanalnetz und der Stadt Almelo. Der Bau wurde in den 1880er Jahre begonnen, auf deutscher Seite aber erst 1904 vollendet. Ein kurzer Verbindungskanal ermöglicht in Nordhorn eine Fahrt vom Ems-Vechte-Kanal zum Nordhorn-Amelo-Kanal.
- Der Süd-Nord-Kanal von rund 46 Kilometern Länge führt in Nordhorn vom Ems-Vechte-Kanal durch die Niedergrafschaft zum Haren-Rütenbrock-Kanal im emsländischen Rütenbrock.
- Der Coevorden-Piccardie-Kanal von rund 27 Kilometern Länge, davon gut 23 Kilometer auf deutscher Seite, führt vom Süd-Nord-Kanal in Georgsdorf ins niederländische Coevorden.
- Der Haren-Rütenbrock-Kanal von rund 14 Kilometern Länge führt von Haren über Rütenbrock ins niederländische Ter Apel.
- Der Schöninghsdorf-Hoogeveen-Kanal ist rund drei Kilometer lang und verbindet bei Schöninghsdorf den Süd-Nord-Kanal mit dem niederländischen Kanalsystem bei Hoogeveen.
Allerdings gerieten die linksemsischen Kanalbaupläne Ende der 1870er-Jahre ins Stocken, da Preußen kaum noch Geld dafür bereitstellte. Im Januar 1886 stellte daher der aus Haselünne stammende Abgeordnete Adolf Bödiker namens der Zentrumsfraktion den Antrag, im preußischen Staatshaushalt deutlich mehr Geld für den beschleunigten Ausbau des linksemsischen Kanalsystem einplanen, da in den letzten Jahren der Bau nur im Schneckentempo vorangetrieben worden sei und daher den beabsichtigten Zweck überhaupt nicht erreicht habe. Ihm zur Seite sprang der Georgsdorfer Gemeindevorsteher Jann Jacobs, der für die Deutschkonservativen gewählt worden war. Jakobs schilderte die Veränderungen der Landwirtschaft, die dazu geführt hätten, dass in der Region lediglich die Viehzucht rentabel sei. Um genügend Futter für das Vieh zu erhalten, sei der Einsatz von Kunstdünger unerlässlich. Allerdings werde er durch den Transport erst per Eisenbahn und dann mühsam per Pferdewagen ins Moor über die Maßen verteuert. Vielfach müssten wegen der hohen Vorausleistungen die verarmten Kolonisten den Einsatz von Kunstdünger aufgeben und wieder zur veralteten Moorbrandkultur und dem riskanten Anbau des kälteempfindlichen Buchweizens zurückkehren. Ferner seien besonders die Bewohner von Neuringe, Adorf und deren Nachbarschaft von sämtlichen Verkehrswegen abgeschnitten. Sie müssten im Winter für das neu angeschaffte Vieh das Kraftfutter auf ihren Rücken zwei bis drei Stunden lang über ansonsten unpassierbare Schlammwege tragen. Da aufgrund der geografischen Beschaffenheit ein Eisenbahnbau nicht in Frage komme, sei der Kanalbau unumgänglich, um beispielsweise eine Versorgung mit billigem Kunstdünger zu gewährleisten. Wenn der Süd-Nord-Kanal erst fertiggestellt sei, werde er sich als Segensquelle für die Bewohner seiner Heimat herausstellen, behauptete Jakobs.
Das linksemsische Kanalsystem unterstand der 1873 gegründeten Linksemsischen Kanalgenossenschaft. Befördert wurden hauptsächlich Dünger, Kohle, Baustoffe, Torf und bald Raseneisenerz. Zudem konnte darüber landwirtschaftliche Erzeugnisse der Region verschifft werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden der Wasserstand der meisten Kanäle abgesenkt, um im Rahmen des Emslandplans die Moore schneller und besser entwässern zu können. Der Verkehr wurde deshalb auf die Straße verlagert. Die Kanalgenossenschaft wurde 2006 aufgelöst.
Literatur
Hasse, Dietmar, Das Linksemsische Kanalsystem (LKG) – Ein Rückblick, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes, Bd. 51 (2005), S. 9-32.
Lensing, Helmut, Jann Jacobs – Ein Georgsdorfer im Preußischen Abgeordnetenhaus, in: Bentheimer Jahrbuch 1996 (Das Bentheimer Land, Bd. 135), Bad Bentheim 1995, S. 151-174.
