Fachwissenschaftliches Statement zum Fracking in Deutschland
Prof. Dr. Kurt M. Reinicke – ehemals TU Clausthal/Zellerfeld
Kurzvita

1968-1974 Studium TH Darmstadt (Physik) und Rice University Houston (Mechanical Engineering und Mathematical Sciences)
1974-1975 Exxon Production Research Company, Houston: Research Engineer
1975-2002 BEB Erdgas und Erdöl, Hannover: Anstellungen im Technischen Bereich, zuletzt als Technischer Geschäftsführer
2003-2012 TU Clausthal: Professor am Institut für Erdöl- und Erdgastechnik, zuletzt als Institutsleiter, danach Lehrbeauftragter
2012-2021 Deutz Erdgas: Geschäftsführer, danach beratend tätig
Insgesamt ca. 120 Veröffentlichungen darunter ca. 10 Buchbeiträge
Schwerpunkt Ihrer Lehrtätigkeit an der TU Clausthal-Zellerfeld
Lehrtätigkeit: Bohr- und Produktionstechnik und Reservoir Management
Forschungstätigkeit: Mehrphasenströmung, CO2 Squestrierung, Fracking Technologie, Geothermie
Einführung in das Thema
Wenige Technologie-Themen werden in Deutschland so intensiv und kontrovers diskutiert, wie das beim sogenannten „hydraulic fracturing“, umgangssprachlich auch „Fracking“ genannt, der Fall ist.
Die Technologie wurde – auch durch Fake News – dermaßen verteufelt, dass „Fracking“ in Teilen der öffentlichen Debatte inzwischen als Synonym für die Erdgasförderung insgesamt und gleichzeitig als Synonym für Umweltfrevel gilt.
In den USA wurde die Diskussion befeuert durch den Dokumentarfilm Gasland aus 2010. In ihm wurden Gesundheitsprobleme von Anwohnern amerikanischer Erdgasfeldern und ein brennender Wasserhahn beschrieben. Zurückgeführt wurde beides auf Frackmaßnahmen in benachbarten Bohrungen. Was den Wasserhahn anbelangt, wurde die Behauptung im Film später durch die Bergbehörde von Colorado korrigiert. Sie machte als Ursache des Gases im Wasser ein Kohleflöz aus, das mit einem Wasserbrunnen angebohrt worden war. Aber der Vorwurf der Brunnenvergiftung war im Raum und es hält sich bis heute.
Die Verunglimpfung dieser Technologie findet in Deutschland seine Fortsetzung in dem im November 2017 ausgestrahlten Tatort-Krimi mit dem Titel „Böser Boden“. Ein erdachter Konzern namens „North-Frac“ wird für ungeheure Umweltsünden verantwortlich gemacht, in deren Folge sich die Menschen in der betroffenen Gegend in taumelnde und gewaltbereite Zombies verwandeln. Das war kein billiger Horrorstreifen spätabends, sondern ein „Tatort“ zur besten Sendezeit am Sonntagabend im ERSTEN (ARD).
Im Gefolge der internationalen, öffentlichen Debatte kam es in Deutschland schon im Jahre 2012 zu einem Moratorium und der Einstellung sämtlicher Frackaktivitäten.
Bevor ich auf das Thema detaillierter eingehe, zunächst in kurzer Form die folgenden Fakten
- Anders als vielfach kolportiert, handelt es sich beim Fracking keineswegs um eine neue und damit unerprobte Technologie.
- Erdgasförderung bedeutet keinesfalls, dass sie nur möglich ist, wenn gefrackt wird.
- Es ist genauso falsch, die Fracking-Technologie ausschließlich mit der Förderung der fossilen – und damit potentiell veralteten – Energieträger Erdöl und Erdgas in Verbindung zu bringen. Auch für die Nutzung von Erdwärme, also bei einem Zukunftsthema, ist Fracking von Bedeutung, im Falle der petrothermalen Geothermie meist sogar Voraussetzung.
Die Anfänge in den USA
Die Idee der hydraulischen Bohrlochbehandlung geht zurück auf Beobachtungen während der Bohrungsherstellung einiger Bohrungen. Bei der Zementation des Ringraumes hinter den eingebrachten Stahlrohren änderte sich bei zu hoher Druckbeaufschlagung plötzlich der Verlauf des Druckes, mit dem verpumpt wurde. Er stieg plötzlich weniger stark an oder ging sogar zurück. Man führte das zurück auf eine Rissbildung in der anstehenden Formation. Ausgeführt in einer ölführenden Formation, versprach man sich von einer solchen Rissbildung eine Erhöhung der Ölförderung.
Die erste gewollt durchgeführte hydraulische Rissbildung in einer Formation wurde im Jahre 1947 in Kansas/USA durchgeführt. Im Rahmen dieser Behandlung wurden knapp 4 m3 angedicktes Gasolin verpresst. Der Erfolg war bescheiden. Trotzdem hat Amoco das Verfahren patentieren lassen und 1949 an die amerikanische Servicefirma Halliburton lizensiert.
Die beiden ersten kommerziellen hydraulischen Bohrlochbehandlungen wurden 1949 im Oklahoma und Texas/USA, durchgeführt. Für die Verpressung mit Hochdruckpumpen wurde ein Gemisch von Erdöl, Gasolin und etwa 50 bis 75 kg Sand benutzt. Der Sand sollte die Risse nach Pumpenstopp offenhalten und ihr „Verheilen“ verhindern. Mit dieser Behandlung gelang es, die Produktionsmenge um etwa 75 % zu steigern.
- Nach diesen beiden erfolgreichen Behandlungen stieg die Nutzung der Technologie rasant an. Bereits ein Jahr später, 1950, wurden 332 Ölbohrungen gefrackt.
- Mitte der 50er Jahre waren es schon etwa 000 Fracs pro Monat, die in den USA durchgeführt wurden.
Die Technologie
Ziel des Fracking-Verfahrens ist es, in einer Formation, aus der produziert wird, Fließwege zu schaffen, damit der Inhalt der Formation leichter ins Bohrloch ließen kann. Vergleichbar ist dies mit dem Bau einer Stadtautobahn, die den Zufluss bzw. Abfluss des Verkehrs aus der Stadt in das Umland verbessern soll.
- (Beim Fracking) Die Fließwege werden geschaffen, indem man eine Flüssigkeit in das mit Stahlrohren ausgekleidete Bohrloch pumpt, die durch vorgefertigte Öffnungen in die Formation abfließt, die gefrackt werden soll.
- Wird mit Raten gepumpt, die höher sind als die Menge, die auf normalem Wege in die Formation abfließen kann, steigt der Pumpendruck.
- Wird dabei der sogenannte „Frac-Druck“, überschritten, reißt das Gestein auf.
- Wird der Pumpvorgang weiter fortgesetzt, wachsen die Risse weiter in die Formation.
- Wird der Pumpvorgang gestoppt wird, stoppt auch die Vergrößerung der Risse.
- Die in den Rissen enthaltene Flüssigkeit fließt in die Formation ab und die Risse beginnen sich unter dem Einfluss des Gebirgsdruckes wieder zu schließen.
- Um die Riss-Schließung zu verhindern, werden Stützmittel (z.B. Sand) in die Risse eingebracht, die sie offenhalten sollen.
Die häufigste Form des Gesteinsversagens ist der so genannte Zugriss. Bei ihm öffnet sich das Gestein senkrecht zur Rissebene.
Sind im Untergrund Scherspannungen vorhanden, kann es auch zu Scherrissen kommen, bei denen sich die Rissflächen nach Öffnung gegeneinander verschieben, Abbildung 2.
- Scherspannungen entstehen im Rahmen der Beanspruchung des Untergrundes durch zwei parallel zueinander, in entgegengesetzter Richtung wirkende Kräfte, Abbildung 2, z.B. im Kleinen entlang von geologischen Störungen, an denen sich zwei Gesteinsblöcke gegeneinander verschieben oder im Großen durch plattentektonische Kräfte, bei der es zur Verschiebung ganzer Platten kommt.
Abbildung 2: Zug-Riss und Längs-Scherung

Die Ausbreitung erzeugter Risse ist abhängig von den im Gestein herrschenden Spannungen und von den Eigenschaften des Gesteins.
- Hauptursachen der Gesteinsspannungen sind das Gewicht der Gesteinsschichten und eventuell vorhandene tektonische Spannungen.
- Sind Spannungszustand und Gesteinseigenschaften des Untergrundes bekannt, lassen ich Ausbreitungsrichtung und Geometrie der Risse gut vorhersagen.
- Da die Horizontalspannungen in der Regel kleiner sind als die vertikale Spannung, entstehen üblicherweise vertikale Risse.
Während erzeugte Risse zunächst halbkreisförmig um ihren Erzeugungspunkt wachsen, ist das Endresultat einer Behandlung in geschichteten Sedimentgesteinen ein Gebilde, dessen Länge größer ist als seine Höhe.
- Die Verflachung der Risse hat seine Ursache in Unterschieden der Gesteinseigenschaften. Sie führen dazu, dass die Horizontalspannung unterschiedlicher Schichten unterschiedlich ist, Abbildung 3.
- Wie in Untersuchungen bestätigt, sind die Horizontalspannungen in Ton- und in Salzschichten typischerweise größer als die von sandigen Schichten.
- Dies hemmt das Wachstum eines Risses aus einem Sandstein in einen Tonstein bzw. von einem Sand- oder Tonstein in eine Salzschicht.
- Ton- und Salzschichten werden deshalb auch häufig als Barriereschichten Sie sind nicht nur undurchlässig, sie stoppen auch vertikales Wachstum von Rissen.
Ergebnis einer Frac-Maßnahme ist in der Regel ein ebener, zweiflügliger, vertikaler Riss.
- Länge und Höhe sind abhängig vom Flüssigkeitsvolumen, das verpumpt wird, den Flüssigkeitseigenschaften und der Geologie.
- Die Ausdehnungen dieser Fracs reichen in der (Halb-)Länge von wenigen zehn bis zu mehr als 1.000 Meter (für Geothermiefracs), während die Risshöhen meist deutlich geringer sind.
- Die Rissweite liegt meist im Millimeterbereich und überschreitet selten das Maß eines Zentimeters.
- Mikroseismische Daten für unkonventionelle (z.B. Schiefer und Granit) Reservoire und ausgegrabene Risse in hartem Gestein legen nahe, dass es in unkonventionellen Gesteinstypen häufig zur Bildung komplexerer Multiriss-Systeme Ursachen sind natürlich vorhandene Risse, wie im Schiefer üblich, oder Scherspannungen wie im Grundgebirge des Oberrheingrabens.
Hydraulische Trägerbehandlungen in Deutschland/Emsland
Der Anfang im Öl
In Deutschland hat das Fracking-Zeitalter Mitte der 50er Jahre begonnen, nur wenige Jahre nach Durchführung des ersten Fracs in den USA.
- Zunächst waren die Maßnahmen beschränkt auf Ölfelder.
- Aus den 50er Jahren sind etwa 40 Fracs Sie wurden in Ölfeldern der Gebiete Emsland und Nienburg durchgeführt. Es dürfte sich bei dieser Zahl aber nur um einen Teil der tatsächlich durchgeführten Frackmaßnahmen handeln, denn über längst nicht alle durchgeführten Fracs gibt es öffentlich zugängliche Informationen, Abbildung 4.
Abbildung 4: Frac-Behandlungen in Deutschland
Wie in den USA waren die ersten Fracs in den fünfziger Jahren auch in Deutschland kleinere Sand-Öl Fracs.
- Behandlungsvolumen reichen von 10 bis 60 Kubikmeter Flüssigkeit und 5 bis 10 t Sand als Stützmittel.
- Behandlungsflüssigkeiten waren insbesondere vergelte Rohöle, in Karbonatgesteinen auch schwache Säure.
- Bei den Stützmitteln, den sogenannten Proppants, handelte es sich meist um Sand.
Abbildung 5 zeigt das typische Förderverhalten einer Ölbohrung im norddeutschen Raum nach Fracbehandlung.

- Erzielte Steigerungen der Ölförderung liegen in der Größenordnung um den Faktor 2 bis 3, die langsam abklingen.
- Die erzielten Mehrförderungen haben viel zum Erhalt der Wirtschaftlichkeit der Ölfelder beigetragen, denn mit der Umsetzung der Verträge von Rom zur Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war Deutschland gezwungen, seine „Schutzzölle“ auf Rohöl zurückzunehmen. Innerhalb weniger Jahre sank der Preis für deutsches Rohöl deshalb von etwa 180 DM/t auf das Weltmarktniveau von ca. 60 DM/t. Ohne Fracking hätte man damals sehr viel mehr Ölfelder einschließen müssen.
Abbildung 5: Produktionsentwicklung einer gefrackten Ölbohrung
Fracs in (konventionellen) Gaslagerstätten
Die Nutzung von Öl als Behandlungsfluid bei Fracs ist ein Sicherheits- und Umweltrisiko. Es ist entflammbar und stellt eine Gefährdung des Grundwassers dar. Deshalb hat man schon früh nach Alternativen auf Basis von Wasser gesucht, insbesondere in der Anwendung der neuen Technologie auf Erdgas-Lagerstätten. Wasser bringt zwar mehr Sicherheit im Umgang, hat aber im Vergleich zu Öl auch technische Nachteile.
- Wasser hat nicht die Tragfähigkeit ölbasischer Fluide, die wichtig ist für den Transport der Stützmittel in die Risse.
- Wasser kann mit Tonmineralen reagieren und sie destabilisieren.
- Zusammen mit Sauerstoff kann es korrosiv sein, Bakterien eintragen etc.
Die vorgenannten Nachteile wurden behoben durch die Zugabe von Additiven. In dem Maße, in dem das Prozessverständnis stieg, stieg auch die Anzahl der verwendeten Additive auf bis zu zehn Stoffe und mehr. Volumenmäßig liegt der Anteil der Zusatzstoffe trotzdem nur bei etwa 1 Volumen-%. Der Rest ist Wasser und Stützmittel, mit einem Anteil von im Durchschnitt 90% beziehungsweise 9%.
Bei typischen Behandlungsvolumen für konventionelle Lagerstätten von 500 Kubikmeter bedeutet das etwa 5 Kubikmeter Additive und etwa 50 Kubikmeter Stützmittel.
Das Mittel, um das Wasser tragfähig zu machen, sah man in der Anfangszeit in seiner „Andickung“ durch Zugabe von Geliermitteln, weshalb diese Fracs auch oft “Gelfracs“ genannt werden.
- Die Frackflüssigkeiten von Gelfracks haben Viskositäten bis zu 1.000 mP s, was etwa in der Mitte zwischen Olivenöl und Honig liegt.
- Die Frackflüssigkeiten werden typischerweise mit Raten von ca. 200 bis 400 m3/h und maximalen Stützmittelkonzentrationen von 0,5 bis 1,5 kg/l verpumpt.
Die Geliermittel steigern die Tragfähigkeit, aber sie lassen sich nur schwer verpumpen und sie „verstopfen“ die Risse.
- Deshalb werden Fließverbesserer und Gelbrecher zugegeben, um die Gele nach „getaner Arbeit“ aufzubrechen, damit sie zurück gefördert werden können.
- Die Reaktionen mit Tonmineralen werden durch Tonstabilisatoren kontrolliert …
- die Korrosivität durch Korrosionsinhibitoren, der Bakterieneintrag durch Biozide etc.
- Die detaillierte Zusammensetzung der Frac-Fluide war bis in das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts Geschäftsgeheimnis der Service-Gesellschaften, die die Behandlungen im Auftrag der Förderunternehmen durchführten.
- Seit etwa 10 Jahren ist es gängige Praxis, die verwendeten Substanzen einschließlich Mengenangaben zu veröffentlichen, womit auch der seit 2012 geänderten Rechtslage in Deutschland Rechnung getragen wird.
- Die Transparenz in dieser Frage hat zu einer Untersuchung ihrer Risiken für Gesundheit und Umwelt geführt und zu einer Bereinigung des Portfolios der benutzten Substanzen.
Der Einsatz der Technologie in konventionellen Gaslagerstätten Deutschlands begann im Jahre 1961.
- Einige wenige Behandlungen wurden in den Formationen Dogger und Buntsandstein durchgeführt.
- Ihnen folgte – beginnend in den 70ern – der Einsatz in den tiefer liegenden und weniger durchlässigen Formationen. Die Technologie entwickelte sich schnell zum Schlüssel für den Aufschluss der tiefen, sogenannten Tight Gas[1] Vorkommen im Rotliegenden und Karbon mit Hilfe großvolumiger, sogenannter „Massive Hydraulic Fracs“. Um dem in diesen Tiefen herrschenden höheren Gebirgsdrücken standzuhalten, werden statt Sand häufig künstlich gefertigte Bauxit- oder Zirkon-Kugeln verwendet.
Seit 1961 wurden 350 Fracks in 153 Erdgasbohrungen durchgeführt. Sie sind in Abbildung 4 gezeigt.

- 76 dieser Bohrungen wurden nur einmal gefrackt.
- 77 Bohrungen wurden mehrfach gefrackt, also im Durchschnitt dreimal.
- Bis in die neunziger Jahre hinein wurden die Fracs aus Vertikalbohrungen durchgeführt.
- Danach auch – aber nicht ausschließlich – aus Horizontalbohrungen.
- Seit den siebziger Jahren wird die Planung durch Simulationsrechnungen unterstützt.
- Nach Veröffentlichungen in den achtziger Jahren reichen die Behandlungsvolumen der durchgeführten Massive Hydraulic Fracs in Speichergesteinen bis max. 200 m3 Flüssigkeit und bis zu 250 t Stützmittel pro Behandlung.
- Mit diesen Fracks wurden Risssysteme erzeugt, die bis etwa 400 Meter lang und bis zu 50 Meter hoch waren.
- Typische Behandlungsvolumen normaler Fracs lagen in den beiden letzten Jahrzehnten vor dem Fracking Moratorium bei bis zu 500 Kubikmeter Flüssigkeit, Längen bis zu 250 Meter und Höhen bis zu etwa 120 Meter.
Die Produktionsentwicklung einer Tight-Gas-Bohrung nach Frackbehandlung ist in Abbildung 6 gezeigt. Die Bohrung förderte vor Behandlung etwa 1.500 m3/h. Durch je einen Frac in zwei übereinanderliegenden Sanden wurde die Rate auf über 10.000 m3/h gesteigert.
- Das war zu einer Zeit, in der der Club of Rome dem Ölzeitalter nur noch 30 Jahre gab.
Die Anhebung war auch nachhaltig. Die Bohrung produzierte noch um die Jahrtausendwende.

Abbildung 6: Produktionsentwicklung Goldenstedt Z7 nach Frac-Behandlung [10]
Mit Perfektionierung der Richtbohrtechnik, nicht zuletzt ausgelöst durch Entwicklungsarbeiten im Rahmen der 9.000 Meter tiefen Kontinentalen Tiefbohrung KTB bei Windischeschenbach in der Oberpfalz, und ihrer Anwendung zum Abteufen von Horizontalbohrungen, wurden neue Konzepte für die Nutzung der Fracktechnologie möglich.
Auch hierbei wurde in Deutschland Pionierarbeit geleistet. In mehreren Bohrungen des Feldes Söhlingen wurde aus Horizontalbohrstrecken von teilweise mehr als einem Kilometer Länge bis zu sieben Mal gefrackt,
Abbildung 7.

Horizontalbohrtechnik und Mehrfach-Fracktechnik am Beispiel von Söhlingen Z14
Mit Einsatz dieser Technik ließen sich die Fördermengen nochmals deutlich erhöhen. Die Durchführung war jedoch noch sehr aufwändig. Jede Frackmaßnahme wurde einzeln durchgeführt und dauerte mit allen Vor- und Nacharbeiten mehr als eine Woche.
Fracks in unkonventionellen Lagerstätten
Lange Zeit war die Anwendung der Fracking-Technologie auf Speichergesteine beschränkt. Vor dem Hintergrund rückläufiger Gasproduktion begannen die USA bereits in den 70er Jahren mit der Entwicklung von Technologien, mit denen Gas und Öl aus den sehr viel dichteren Muttergesteinen[2] – wie z.B. Schiefer oder Kohle – gefördert werden können.
Grund war die neue Erkenntnis, dass der überwiegende Teil der im Muttergestein gebildeten Kohlenwasserstoffe in diesem verbleibt und nicht ausgetrieben wird, um in Speichergesteine wie Sandstein zu wandern.
Schlüsseltechnologien bei der Entwicklung dieser Vorkommen waren das „Massive Hydraulic Fracturing“, die Horizontalbohrtechnik sowie das „Seismic Imaging“, um Rissbildung im Untergrund sichtbar zu machen.
Noch Anfang des ersten Jahrzehnts sprach alle Welt von Peak Öl, dem geplanten Ölförder-Maximum aus konventionellen Lagerstätten, ICH AUCH. Nur sehr wenige sprachen von unkonventionellem Gas und Öl. Nach gängiger Einschätzung wurde deren Entwicklung als unwirtschaftlich eingestuft und von keinem der großen Öl-Unternehmen ernsthaft verfolgt.
Der Durchbruch bei der Erschließung unkonventioneller Vorkommen erfolgte mit Einsatz der sogenannten Slick-Wasser–Technologie
- Anders als bei Gel-Frac werden bei Slick-Water-Fracks niedrig-viskose Fluide eingesetzt, die durch Zugabe von Reibungsminderern in ihrer Viskosität unter die von Wasser abgesenkt werden.
- Um trotzdem Stützmittel in die Risse einzubringen zu können, werden die Pumpraten erhöht (etwa verdoppelt) und die Stützmittelkonzentrationen deutlich verringert (auf bis zu 1/10).
- Slick-Water-Fluide kommen mit wesentlich weniger Additiven Sie brauchen kein Geliermittel, keinen Gelbrecher etc.
- Sie bestehen üblicherweise zu mehr als 95% Wasser, 2% bis 5% Stützmittel und weniger als einem 1 Volumen-% Additive.
Mit dem Einsatz der Multilateralbohrtechnik und von Komplettierungssystemen für Multirissbehandlungen erfährt die Technologie eine breite Anwendung in den USA.
- Mit der Multilateralbohrtechnik wird eine Mutterbohrung in mehrere Äste verzweigt, Abbildung 8, und so komplettiert, dass Multirissbehandlungen im Mehrstunden-, statt im Mehrwochen-Takt durchgeführt werden können.
- Die Anwendung dieser Technologie führte innerhalb weniger Jahre zu einem Überangebot auf dem Ölmarkt und zu einer Umkehr des Ölpreisanstiegs. In der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts hatte er bei bis zu USD 140 pro Barrel gelegen. Danach sank er auf teilweise unter USD 50 Dollar.
Abbildung 8: Bohrung mit fünf horizontalen Lateralen. Jedes Lateral wurde zehnmal gefrackt. Die gemessene Mikroseismizität bei Rissausbreitung ist durch die Punkte dargestellt
Vor dem Hintergrund rückläufiger Gasproduktion in Deutschland begann ExxonMobil Deutschland im Jahre 2008 mit der Sammlung und Auswertung von Informationen zum Kohlenwasserstoff-Potential der Schiefervorkommen in Deutschland.
In einem Gebiet westlich des Steinhuder Meeres wurden 5 Kernbohrungen zur Gewinnung von Gesteinsproben, gefolgt von 2 Probebohrungen mit 3 Slick-Wasser-Fracks durchgeführt.
- Gegen die Fortführung dieser Aktivitäten formierte sich Widerstand, der befeuert wurde durch die Verbreitung des amerikanischen Dokumentarfilmes Gasland [18].
- Im Gefolge der internationalen, öffentlichen Debatte kam es in Deutschland im Jahre 2012 zu einem Moratorium und der Einstellung sämtlicher Frackaktivitäten.
Seit Beginn des Moratoriums wurde eine Vielzahl von nationalen und internationalen Studien durchgeführt, um die Risiken der Fracking Technologie zu beschreiben und zu bewerten.
- Fazit aller Untersuchungen: Bei Anwendung der Fracking-Technologie gibt es Risiken, aber sie sind beherrschbar.
Die im Zusammenhang mit den Studien gemachten Vorschläge zur Risiko-Minderung haben zu einer Überarbeitung des Vorgehens der Industrie im Zusammenhang mit Frack-Maßnahmen geführt.
Trotz all dieser Ergebnisse wurden im Jahre 2017 per Gesetz Regelungen in Kraft gesetzt, wonach unkonventionelle Fracking-Vorhaben unzulässig sind. Auch die Anwendung konventioneller Fracking-Vorhaben wurde erheblich eingeschränkt und verboten in Wasserschutz-, Heilquellenschutzgebieten, Nationalparks und Naturschutzgebieten.
An dieser Entwicklung hat auch das Ergebnis der Potentialstudie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe nichts geändert, wonach die technisch gewinnbaren Schiefergas-Mengen ca. 1.300 Mrd. m3 [3] betragen. As ist in etwa das, was bislang insgesamt gefördert wurde und das 35-fache der noch förderbaren sicheren und wahrscheinlichen Erdgasreserven.
Ohne die Möglichkeit einer Entwicklung unkonventioneller Vorkommen dürfte die heimische Produktion im nächsten Jahrzehnt zu Ende gehen. Deutschland wäre dann vollständig von ausländischen Erdgaslieferungen abhängig bei einen Rohstoff, der noch auf Jahrzehnte hinaus gebraucht wird.
Mit dem Auslaufen der Gas- und Ölförderung in Deutschland geht nicht nur die heimische Produktion verloren. Auch das Knowhow und die Kapazitäten für die Planung von Projekten für andere Nutzungsmöglichkeiten des tiefen Untergrundes, wie Speicher (Erdgas, H2, Wärme, CO2) und Geothermie, werden wohl über kurz oder lang deutlich zurückgehen, einschließlich einer Service-Industrie, die diese Planungen umsetzt.
Fracs zur Gewinnung geothermischer Energie
Wie die Förderung von Öl und Gas ist auch die Geothermie auf Bohrungen angewiesen, um Erdwärme zu gewinnen bzw. Wärme zu speichern. Ihr Potenzial ist nahezu unbegrenzt.
Bei der Nutzung dieses Potenzials steht die Geothermie vor einer ungleich größeren wirtschaftlichen Herausforderung als zum Beispiel Erdöl, denn der Energieinhalt von Thermalwasser liegt nur im Prozentbereich desjenigen vom Erdöl.
Hohe Thermalwasser-Raten zu erzielen, mit denen produziert werden kann, ist daher noch wichtiger als für Öl und Gas. Obwohl Fracking eine Option ist, um die Rhermalwasser-Raten zu steigern, wurde es für kommerzielle Vorhaben bisher nur wenig genutzt.
FAZIT
- Beim Fracking handelt es sich keineswegs um eine neue und damit unerprobte Technologie.
- Fracking wurde auch in Deutschland seit Mitte der Fünfziger Jahre – inzwischen mehrere hundert Male – angewendet.
- Für die Zeit seiner Anwendung sind keine Umweltschäden
- Der Einsatz der Technologie hat die in Deutschland wirtschaftlich förderbaren Öl- und Gasmengen aus konventionellen Vorkommen deutlich erhöht.
- Die Anwendung der Technologie auf unkonventionelle Schiefergas-Vorkommen birgt das Potential, die gesamte, bisherige Gasförderung zu verdoppeln.
- Fracking ist auch für die tiefe Geothermie von Bedeutung, für die petrothermale Geothermie mit dem weitaus größten Energiepotential sogar Voraussetzung.
- Die Anwendung der Technologie erfordert Kompetenz und Ausführungskapazitäten. Beides droht aktuell in Deutschland verloren zu gehen.
[1] Erdgasvorkommen in sehr geringdurchlässigen Speichergesteinen, wie z.B. Sandsteinen und Karbonaten, die hydraulisch behandelt werden müssen, um eine wirtschaftliche Förderung zu erreichen.
[2] Sediment abgelagert in Meeren, Seen oder Sümpfen, das reich an organischem Material (Faulschlamm) ist; im Rahmen der Versenkung kompaktiert und aufgeheizt sowie verfestigt zu einem mehr oder weniger dichten Gestein (Tonstein, Kohle) in dem sich Erdöl und Erdgas bildet
[3] Konventionelle sichere und wahrscheinliche Erdgasreserven 31.12.22 lt. BVEG etwa 36 Mrd. m3