Drei Umweltschäden im Emsland der letzten Jahrhunderte

In diesen Zeiträumen ist viel an natürlich gewachsener Energie zerstört worden.

Diese Zeitleiste soll nachfolgende drei Geschichtsphasen anschaulich skizzieren ( wie in der Einleitung schon angedeutet):

– Übernutzung des Waldes über  Jahrhunderte 

Aus Waldreichtum als wichtigste Energiequelle wurde wüstes Land

Im Jahre 1875 schreibt Forstdirektor Burckhardt in den Hannoversche Forstamtliche Mitteilungen über die Ausrottung des Waldes im Emsland:

„Im Allgemeinen stehen wir vor einer Landschaft, welche ein selten trauriges Bild von Entwaldung auf den armen Flachlandböden darstellt. Wo einst große Waldungen ihr stolzes Haupt beugten und selbst die wetterfeste Eiche, das Eisen der Hölzer, grünte, wo der Wald Dorf und Flur schützte, Luft und Boden erfrischte und dem Weidevieh saftige Kräuter bot, da sehen wir jetzt vielfach eine libysche Wüste.“

Archiv Böckenhoff-Grewing

Eine fortlaufende Schädigung der Lebens- und Umweltbedingungen lag in der Art der Viehhaltung: Die Menschen hüteten (hudeten) ihre Nutztiere in den Sommermonaten in den Wäldern. Insbesondere die Schweine fanden im Herbst reichlich Nahrung an Bucheckern und Eicheln. Allerdings hatte diese Waldweidewirtschaft langfristig auch Folgen. Da die Nutztiere sämtlichen Aufwuchs wegfraßen, war eine natürliche Verjüngung des Waldes nicht möglich. Auch das Laub des Waldes wurde von den Bauern damals abgefahren und als Einstreu in den Ställen genutzt. So kam es im Laufe der Zeit zu einer starken Auflichtung der heimischen Wälder.



Archiv Böckenhoff-Grewing

Auf diesem Foto aus dem Jahre 1929 sind noch Reste eines Hudewaldes auf dem Hümmling zu erkennen. Um eine möglichst große Ausbeute an Eicheln und an Bucheckern zu erhalten, wurde die Krone der Bäume immer wieder ausgeschnitten, um ein noch intensiveres Kronendach zu erhalten. So entstanden knorrige Altbäume, die schließlich wegen der Brennmittelknappheit außerhalb der Moorgebiete in der Feuerstelle landeten.

Der Beginn des Raubbaues am Wald lag aber schon weit vor unserer Zeit. Nach 1400 hatte die Waldvernichtung einen ersten Höhepunkt erreicht, und im weiteren Verlauf verwandelte sich das Emsland von einem einst reich bewaldeten Land in eine fast baumlose Gegend. „Der“ Wald war bis auf eine paar spärliche Reste nicht mehr da. Dort, wo es einmal Wald gegeben hatte, war auch der Mensch gewesen, und dort, wo der Mensch gewesen war, gab es nur noch Heide.

Aus Waldreichtum als wichtigste Energiequelle wurde wüstes Land

Schon im Mittelalter griffen die Bauern zur intensiveren Nutzung des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ackerbodens auf die Plaggendüngung zurück. So konnten sie nach der so genannten Dreifelder-Wirtschaft ein Drittel mehr Nutzfläche erhalten und damit die Erträge entsprechend steigern. Das lag auch im Interesse der Landesherren, die so auf höhere Abgaben rechnen konnten.

Allerdings führte diese Entwicklung ohne systematische Düngung zwangsläufig zu einem deutlichen Nährstoffverlust der intensiver genutzten Felder. Durch die jährliche Ernte fehlte dem Boden zunehmend die Kraft, ausreichende Ernten zu sichern. Der zur Verfügung stehende Stalldung reichte dafür nicht aus. Hier griffen nun die Landwirte zunehmend auf den Plaggenstich in den Heiden und auch Wäldern. Dabei schälte man die obere Humusschicht ab und gab diese zusammen mit dem Laub der Waldungen in den Stall als Einstreu.

Archiv Böckenhoff-Grewing

Diesen so gewonnenen Dünger brachte man auf die Eschflächen, die im Laufe der Jahrhunderte durch den an anderer Stelle entnommenen Boden in manchen Gegenden um etliche Zentimeter anwuchsen. Die durch die Plaggenentnahme geschädigten Allmendeflächen waren für die Rinderhaltung zunehmend verloren und die Landwirte mussten auf die weniger anspruchsvolle Haltung von Schafen umschwenken. Als man nun dazu übergehen musste, auch in den Waldgebieten Plaggen zu stechen, wurden auch diese Flächen nachhaltig zerstört. Es bildeten sich ausgedehnte Heideflächen.

Ergebnis: Vernichtung von gewaltigen Energiereserven

– Überweidung der Heideflächen 

Archiv Böckenhoff-Grewing

Archiv Emslandmuseum Lingen

Archiv Emslandmuseum Lingen

Überweidung und Plaggenstich mit katastrophalen Folgen

Mit dem weitgehenden Verschwinden des Waldes war aber der Prozess der Vernichtung der Vegetation im Emsland noch nicht beendet, denn die zunehmende Entwaldung und die darauf folgende Verheidung der Landschaft veränderten zwangsläufig die Art und Weise der Landwirtschaft.

Archiv Emslandmuseum Lingen

Archiv Emslandmuseum Lingen

Archiv Leo Mönnich

So wie man den Wald überstrapaziert hatte, so ging man nun auch mit den Heideflächen um. Immer mehr Schafe wurden gehalten, was zusammen mit dem Plaggenstich den schützenden Pflanzenwuchs zerstörte. Aus dem blank liegenden Boden entstanden durch Wind und Wetter Wehsandflächen mit einigen hohen Dünen.

– die gewachsene Umwelt zerstörende Wehsande entstehen

Aus: Bildarchiv Heimatverein Schepsdorf

Diese Karte zeigt den Teil des Dorfes Schepsdorf vor den Toren der Stadt Lingen. Hier lässt sich die Bedrohung durch die Wehsande heute noch sehr gut beweisen: Während das übrige Stadtgebiet mit 24 Meter über dem Meeresspiegel angegeben ist, liegen die angewehten Dünen dort bis zu 37 Meter hoch. Im Volksmund heißen sie auch Schepsdorfer Alpen.

Archiv Bernd Robben

An der Kirche dieses Dorfes sind die immensen Schäden durch die angewehten Sandmassen deutlich demonstriert. Während dieses Gotteshaus früher auf einer leichten Anhöhe errichtet worden war, haben die einige Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg einsetzenden Sandverwehungen – vornehmlich aus dem Westen von Lohne und Wietmarschen kommend – die Eingangstür bis zu fast zwei Dritteln zugeschüttet.

In einem Buch über die Ortsgeschichte des Dorfes Darme, das südlich von Schepsdorf und Lingen angesiedelt ist, wird der agrarisch historische Hintergrund für die Entwicklung dieser Gegend anhand von historischen Karten vorgenommen.

Der Autor dieses Beitrages, Karl Josef Nick, ist ein ausgewiesener Kenner auf diesem fachspezifischen Gebiet.

Diese erste Karte zeigt das Gelände um 1805

Der Großteil der Fläche ist nur mit Heide bewachsen. Der Wald ist nahezu vollständig durch die Übernutzung der Menschen verschwunden. Die zunehmende Schafhaltung und der hohe Anteil an Plaggenstich ließ die Heidevegetation zunehmend schrumpfen.

Im Rahmen von Bauarbeiten nach 2020 in diesem Kartengebiet konnten diese Fotos für kurze Zeit gemacht werden. Sie zeigen den weißen Wehsand, der unter den aufgeforsteten Kieferflächen noch vorhanden war, mit den aufgewehten Hügeln.

5 Fotos oben: Archiv Bernd Robben

Die zweite Karte stellt die Situation um 1850 vor:

Die gelben Flächen etwa in der Mitte der Karte waren mittlerweile unbewachsen, weil sie übernutzt waren. Damit konnten sich hier die gefährlichen Wehsande entwickeln. Die betroffenen Menschen wussten: So kann es nicht weitergehen. Die wandernden Sandmassen bedrohten auch die Häuser der benachbarten Orte und zerstörten die existenziell notwendigen Ackerflächen zu einem Teil. Diese Vorkommnisse verbreiteten immensen Schrecken und kamen einer Umweltkatastrophe gleich.

Die obigen Bilder dürften das eindrucksvoll belegen. Sie stammen ja aus diesem Kartengebiet.

 

Die dritte Karte stammt aus dem Jahre 1954

Da kam eine Erfindung zur Hilfe: Mittlerweile wurde künstlicher Dünger am Markt angeboten. Die besseren Heideflächen konnten so in Ackerland und Weide umgewandelt werden, die reinen Sandböden allerdings mussten mit Kiefern bepflanzt werden. So entstand wieder ein fester Bewuchs, wodurch die weitere Ausbreitung der weiteren Wanderdünen gestoppt werden konnte.

Vierte  Karte von 1994

Hier lässt sich schon deutlich die Ansiedlung von Industriebetrieben mit entsprechenden Erschließungen durch Straßen und Leitungen erkennen. Bei der Ausweisung des Industriegebietes im Süden der Stadt Lingen wurde darauf geachtet, dass auch größere Areale im gewachsenen Zustand erhalten bleiben. Doch im Winter nach Schneefall zeigt sich jeweils die ehemalige Wehsand-Dünenlandschaft trotz jetziger Bewaldung.

Videoclip Archiv Bernd Robben

Im nachfolgenden Videoclip wird dieses Spezialthema kompakt dargestellt.

 

Jährlicher Moorrauch aus den norddeutschen Mooren verdunkelte im Mai große Teile Deutschland 

Moor- und Heidebrand

Da im Gegensatz zum benachbarten Holland eine lukrative Absatzmöglichkeit für den Torf im Hinter­land fehlte, die finanziell eine gezielte Infrastruktur ermöglicht hätte, wie sie beispielsweise im Raum Papenburg oder eben in den Niederlanden mit Sys­tem durchgeführt wurde, betrieben die Moorssiedler einen großen Umweltfrevel, den Moorbrand, um überleben zu können. Bei der in der Region typischen Moorbrandkultur entwässerte man die Mooroberfläche durch kleine Gräben, die im Abstand von acht bis zehn Metern angelegt wurden. Im Herbst wurde die trockene oberste Schicht durchgehackt, um sie aufzulockern und weiter trocknen zu lassen. Die geschah im Frühjahr nochmals. Wenn der Boden nun trocken genug war, zündeten die Moorsiedler im späten Frühjahr das Moor an. Die zurückbleibende Asche wirkte als Dünger. In der fruchtbaren Asche wurde Buchweizen gesät, ein frostempfindliches Knöterichgewächs. Buchweizen war die Grundlage der täglichen Ernährung der Moorsiedler.

Ein großer Nachteil der Moorbrandkultur war die Tatsache, dass der Boden spätestens nach sechs bis acht Jahren erschöpft war und nun wieder 25 bis 30 Jahre zur Regeneration brachliegen musste. Danach konnte er bis zu vier Jahren mit Buchweizen bepflanzt werden. Je nach Windrichtung konnten die stinkenden Brandwolken in Berlin, München oder Wien gesichtet werden. Man wusste dort aller­dings wenig über den puren Überlebenskampf der Moorbauern, die sich von der in wenigen Jahren schon spärlicher werdenden Buchweizenernte hauptsächlich ernährten, wenn der Frost ihnen nicht alles nahm.

Archiv Böckenhoff-Grewing

Dann zogen sie weiter ins Moor und brannten das nächste Gebiet ab.